Bremerhaven. (ttz) Während der Iran-weit größten Fachmesse für die backenden Branchen – Ibex 2008 – hatten Prof. Klaus Lösche vom ttz Bremerhaven und Marta Macias vom European Institute of Baking Technologies (EIBT) am ttz in Teheran die Gelegenheit, in Fachvorträgen Grundlagenwissen über Mehlqualität und die spezifische Nutzung von Mehltypen für definierte Verarbeitungsverfahren zu vermitteln. Der Know-how Transfer der Wissenschaftler soll 2009 mit einem Seminar in Teheran fortgeführt werden und bildet einen Startpunkt für analoge Aktivitäten in weiteren Ländern. Da die Backbranche im Iran an der Schwelle zur Industrialisierung steht, ist der Bedarf an moderner Technologie und Fachwissen derzeit sehr groß, heißt es.
Die Nachfrage nach Backwaren ist im Iran traditionell sehr hoch: Mehr als 110 Kilogramm werden im Schnitt pro Kopf und Jahr verzehrt – statistisch gesehen. Basis für diese Annahme ist eine Berechnung der FAO, nach der dort jeder Einwohner (rein statistisch gesehen) auf einen Verzehr von 165 Kilo Weizen per Anno kommt. Damit sind Backwaren im Iran nicht einfach nur Grundnahrungsmittel, sondern auch – im Vergleich aller Lebensmittel – primäre Versorgungsquelle für die Nahrungs-Energie-Versorgung der Bevölkerung und für ernährungsphysiologische Ziele.
Traditionell werden diese Mengen in Teheran ausschließlich von kleinen Handwerksbäckereien produziert. Die Qualität der Backwaren ist sehr unterschiedlich, zum Teil hygienisch kritisch, da es keine geregelte Berufsausbildung gibt und die Rohstoffe je nach Ernteregion von sehr unterschiedliche Qualität sind. Die Bäcker in Teheran verarbeiten in erster Linie Weizen (rund 60 Prozent aus eigener Produktion, 40 Prozent Importware hauptsächlich aus der Ukraine, Australien, den beiden Amerikas). Die Regierung hat bereits begonnen, die Industrialisierung der Branche zu fördern und ein höheres Qualitätsniveau zu erreichen, indem Produktions- und Produktsicherung verbessert werden. Konkrete Ansätze sind die Förderung eines bewussten Umgangs mit Rohstoffen, zum Beispiel durch Verminderung von Ausschussware, sowie eine Optimierung der Prozesshygiene und eine effizientere Prozessgestaltung bei hohem Qualitätsniveau der Endprodukte.
Mit der Anschaffung moderner Geräte allein können diese Anforderungen nicht erfüllt werden. Zunächst muss sichergestellt sein, dass ein funktionsfähiges Netzwerk von Saatzucht, Landwirtschaft, Handel, Müllerei und Backbetrieben etabliert wird. Die einheimischen Bäcker müssen lernen, die spezifischen Roh-Materialien sachkundig auszuwählen und zu verarbeiten; die Prozesse, die in Geräten oder Anlagen ablaufen, zu verstehen und die korrekte Bedienung der automatisch ablaufenden Maschinen zu erlernen.
Stellt ein Bäcker normalerweise beim Backen ein Problem fest, kann er direkt eingreifen und aus der Erfahrung heraus gezielte Gegenmaßnahmen einleiten. Wird die Produktion jedoch auf maschinelle Fertigung umgestellt, entfällt diese Möglichkeit mehr oder weniger. Die derzeit mit großen hygienischen Risiken behaftete kleingewerbliche Produktion von Backwaren kann unter modernen Bedingungen deutlich verbessert werden und eine konstante Qualität auf hohem Niveau erreichen.
In Teheran gibt es aktuell kaum gesicherte oder etablierte Kenntnisse oder relevante Forschungsaktivitäten zur Getreideproduktion und Verarbeitung oder zum Bäckereihandwerk. Das iranische «Institute for Baking Technologie» steht noch am Anfang seiner Aktivitäten und kann den erforderlichen Wissenstransfer momentan nicht allein leisten.
Über den Anlagenbauer König stellte das iranische Institut den Kontakt zum Bremerhavener ttz – BILB/EIBT auf, das oder die seit 20 Jahren in diesem Bereich erfolgreich angewandte Forschung betreiben. «Wir freuen uns, der Bäckerbranche in dieser wichtigen Phase mit einem gezielten Know-how-Transfer einen Dienst erweisen und Kinderkrankheiten vermeiden zu können. Die Bereitschaft der iranischen Backbetriebe, der iranischen Bäckereivereinigung, des iranischen Wirtschaftministeriums und anderen, den Schritt in ein neues Produktionszeitalter zu machen, ist groß», beschreibt Prof. Lösche seine Erfahrungen aus der Kooperation. Erste Schritte zum Aufbau einer industriellen Backwaren-Produktion hat das zuständige Ministerium bereits eingeleitet. Das BILB/EIBT hat dem Ministerium seine Mitarbeit angeboten.
Das ttz Bremerhaven ist in Zusammenarbeit mit Lieferanten der backenden Branche auch in anderen Regionen der Welt aktiv, geht es darum, die Schwelle zur professionellen Industrialisierung in der Backwaren-Wirtschaft möglichst ohne Reibungsverluste zu überstehen: Konkret denkt das ttz – und mit ihm Prof. Lösche – an die Türkei, an Rumänien und Bulgarien, die weitere Zielmärkte für Fachwissen aus Bremerhaven sein könnten (Quelle).
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