Donnerstag, 18. Juli 2024
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Patisserie: sahnig – kremig – ekelig?

Fellbach. (cvuas) Feine Backwaren mit nicht durchgebackener Füllung bieten den unterschiedlichsten verderbnis- und krankheitserregenden Mikroorganismen beste Vermehrungsbedingungen und erfordern daher besonders sorgfältige Hygienemaßnahmen bei der Herstellung und Lagerung. Um die Verbraucher vor Schäden zu schützen und das Hygienebewusstsein der Konditoreien zu stärken, untersucht das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) routinemäßig verschiedene Patisseriewaren. In den Jahren 2007 und 2008 wurden immerhin 53 von 292 Proben beanstandet – 18 Prozent.

Verlockend süß und sahnig stehen sie in der Konditorei-Theke und auf der festlichen Kaffeetafel sind sie einfach unverzichtbar. Patisseriewaren mit nicht durchgebackener Füllung, hinter diesem technologischen Begriff verbergen sich sahnige und cremige Köstlichkeiten wie Schwarzwälder Kirschtorte, Käsesahnetorte oder Erdbeerroulade.

Diese Torten sind nicht nur für Menschen lecker und nahrhaft, auch zahlreiche Mikroorganismen, Bakterien, Hefen und Schimmelpilze finden darin beste Wachstumsbedingungen. Die Verunreinigung von Lebensmitteln mit Mikroorganismen wird als bakterielle Kontamination bezeichnet.

Die Tortenböden werden bei hohen Temperaturen gebacken, für die Füllungen verwenden Konditoren im allgemeinen pasteurisierte Schlagsahne oder andere pasteurisierte Milcherzeugnisse, Pudding oder Cremepulver. Die nachfolgenden Herstellungsschritte, das Schneiden der Tortenböden, das Schlagen von Sahne, das Füllen und Verzieren erfordern jedoch umfangreiche Handarbeit. Bei mangelnder Hygiene bieten sich den unerwünschten Gästen zahlreiche Zutrittsmöglichkeiten. Nach der Herstellung können sich die Keime je nach Aufbewahrungstemperatur mehr oder weniger schnell vermehren. Bald könnte der Tortenliebhaber mit seiner Sahnetorte einen Bakteriencocktail von gut 1000’000 Keimen je Gramm verzehren!

Damit die Verbraucher vor kontaminierten Patisseriewaren geschützt und die Konditoreien in ihrem Hygienebewusstsein gestärkt werden, untersucht das CVUA Stuttgart regelmäßig Proben aus Konditoreien und dem Einzelhandel. Die Proben von Patisseriewaren werden mit umfangreichen grobsinnlichen, mikrobiologischen und erforderlichenfalls lebensmittelchemischen Untersuchungen auf ihre Beschaffenheit sowie verderbniserregende und pathogene (krankmachende) Mikroorganismen geprüft.

Zur Beurteilung des mikrobiologisch-hygienischen Status ziehen die mikrobiologischen Sachverständigen die Lebensmittelsicherheitskriterien der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 (1), aber auch die mikrobiologischen Richt- und Warnwerte der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (2) heran. Beanstandet werden Proben, die Verderbniserreger wie Enterobakteriazeen, Pseudomonaden in großer Zahl oder Krankheitserreger wie Salmonellen, Staphylococcus aureus oder Listeria monocytogenes enthalten. Die Beanstandungen richten sich nach den gemeinschaftlichen und bundesdeutschen Rechtsvorschriften, etwa der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelhygiene (3) oder der Lebensmittelhygiene-Verordnung (4).

Nach den Ergebnissen der mikrobiologischen Untersuchungen der Jahre 2007 und 2008 waren 53 der untersuchten 239 Proben «Patisseriewaren mit nicht durchgebackener Füllung» zu beanstanden. Elf Proben mussten wegen mikrobiell bedingten Verderbs als «nicht sicher und daher zum Verzehr nicht geeignet» beurteilt werden. In einer Probe steckte ein Metallsplitter, wegen der Verletzungsgefahr wurde sie als «gesundheitsgefährdend» beurteilt. 31 weitere Proben wurden beanstandet, da die mikrobiologischen Befunde auf Hygienemängel bei der Herstellung, Behandlung und Lagerung der Patisseriewaren hindeuten. Darüber hinaus wiesen zehn Proben eine zwar nicht gesundheitsschädliche, für den Verbraucher aber ärgerliche irreführende Kennzeichnung oder Aufmachung auf.

Trotz der hohen Zahl der Beanstandungen: Der Großteil der untersuchten Patisseriewaren mit nicht durchgebackener Füllung, nämlich 82 Prozent, könnte ohne Bedenken mit Genuss verzehrt werden, wäre er auf der Kaffeetafel und nicht im Labor gelandet.

Damit die Verbraucher ohne große Sorge ihre Nuss- oder Himbeersahnetorte im Cafe oder an der häuslichen Kaffeetafel genießen können, wird die amtliche Lebensmittelüberwachung weiterhin durch häufige Untersuchung dieser mikrobiologisch leicht verderblichen Lebensmittel, die Konditoreien von der Notwendigkeit überzeugen, ein konsequentes Hygienemanagement einzuhalten (Autor: Dr. Dagmar Otto-Kuhn – CVUA).

Literatur

  1. Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel vom 15. November 2005 (ABl. Nr. L 338/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1441/2007 vom 5. Dezember 2007 (ABl. Nr. L 322/12)
  2. Mikrobiologische Richt- und Warnwerte zur Beurteilung von Lebensmitteln der DGHM, Stand November 2008, Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, Bonn,
  3. Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene vom 29. April 2004 (ABl. Nr. L 139/1; ABl. Nr. L 226/3), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1019/2008 vom 17. Oktober 2008 (ABl. Nr. L 277/7)
  4. LMHV: Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung) vom 08. August 2007 (BGBl. I S. 1816, 1817)