Mittwoch, 17. Juli 2024
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BVE: Ernährungsindustrie im Aufwind

Köln. (bve) Die Ernährungsindustrie in Deutschland boomt. Nach schwierigen Jahren der Konsumzurückhaltung zogen die Umsätze der Ernährungsindustrie im ersten Halbjahr 2007 auf einen Wert von 70,9 Milliarden Euro an. Nominal sind die Umsätze in der ersten Jahreshälfte um 5,2 Prozent gestiegen, preisbereinigt beträgt das Wachstum 2,8 Prozent, berichtet die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) aus Berlin.

Wie in den Jahren zuvor ist der Export auch im ersten Halbjahr 2007 der wichtigste Wachstumsmotor der Branche. Im Ausland wurden deutsche Lebensmittel und Getränke im Wert von 16,3 Milliarden Euro verkauft. Mit einem nominalen Zuwachs von 13,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wuchs der Export erneut dynamischer als der deutsche Markt. Die Ausfuhrpreise stiegen mit 6,8 Prozent allerdings auch deutlicher als im Inland.

Auf dem deutschen Markt wurden Umsätze in Höhe von 54,6 Milliarden Euro getätigt. Der Wettbewerb in der Lebensmittelbranche ist nach wie vor sehr intensiv. Das nominale Wachstum betrug drei Prozent, geht aber hauptsächlich auf Preissteigerungen zurück.

Rohstoffpreise bereiten Sorge

Große Sorge bereitet der Ernährungsindustrie die Preisentwicklung bei wichtigen landwirtschaftlichen Rohstoffen, die die Basis für die Lebensmittelverarbeitung bilden. Die Rohstoffe haben sich gemessen an den Erzeugerpreisen in der Landwirtschaft im ersten Halbjahr 2007 um durchschnittlich 9,7 Prozent verteuert.

In der Ernährungsindustrie verteuerten sich die Produkte beim Absatz an die nächste Wirtschaftsstufe um 2,4 Prozent. Daraus wird deutlich, dass die Ernährungsindustrie zwar Preisanpassungen durchsetzen konnte, allerdings in einem bescheidenen Rahmen.

Die Hersteller von Lebensmitteln leiden seit Jahren unter einem sehr großen Preisdruck der Handelsketten, die sich im Wettbewerb gegenüber dem Verbraucher vor allem über den Preis profilieren. Die Grenzen der Belastbarkeit in Form geringer Margen sind für die Hersteller deshalb seit langem erreicht – Spielräume, um gestiegene Rohstoff- und Energiepreise aufzufangen, bestehen deshalb nicht.

Unter diesen Marktbedingungen müssen die aktuell stark steigenden Preise für Milchprodukte, Getreide und Fleisch von den Lebensmittelherstellern über den Handel an die Verbraucher weitergegeben werden. Dem Handel muss klar gemacht werden, dass er seine übermächtige Marktposition in den Jahresgesprächen mit der Industrie nicht in unverantwortlicher Weise ausspielen darf. Es gibt nicht nur eine Verpflichtung gegenüber dem Kunden, sondern auch gegenüber den Lieferanten zu angemessenen Lebensmittelpreisen. Werden diese nicht gezahlt, wäre früher oder später der Bestand von Unternehmen in der Verarbeitungsstufe gefährdet.

Globale Trends steuern Lebensmittelnachfrage

Die Ursachen für die Rohstoffpreissteigerungen werden kurzfristig nicht zu beeinflussen sein. Weltweit steigt die Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln, die westlichen Ernährungsgewohnheiten werden andernorts übernommen und die Weltbevölkerung nimmt stetig zu. Das Angebot an landwirtschaftlichen Flächen mit guten Produktionsbedingungen ist jedoch begrenzt und die Agrarpolitik nutzt bisher noch nicht alle Möglichkeiten, um den Knappheiten entgegenzuwirken. Die Flächenstilllegungen in der EU werden erst jetzt aufgehoben. Die Politik auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe bringt zusätzliche Verwendungskonkurrenz für die wertvollen Rohstoffe in den Markt. Aus Sicht der Ernährungsindustrie muss deshalb darauf gedrungen werden, dass pflanzliche Rohstoffe primär für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung stehen. Insgesamt wird man sich in Deutschland und Europa für die nächsten Jahre sicher auf weiter steigende Preise und auch stärkere Preisschwankungen bei Lebensmitteln einstellen müssen.

Lebensmittel in Deutschland unverändert günstig

Dennoch ist eine Panikstimmung bei den Verbrauchern nicht gerechtfertigt. Im europaweiten Vergleich sind Lebensmittel und alkoholfreie Getränke in Deutschland nach wie vor um sechs Prozent günstiger als im EU-27-Vergleich. Laut Eurostat und Statistischem Bundesamt waren nur in Polen, Tschechien und den Niederlanden als direkten Nachbarn sowie in Portugal, Spanien und Griechenland die Preise niedriger als in Deutschland. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle die unterschiedliche Kaufkraft der Konsumenten in den einzelnen Ländern.

Beim Verbraucher kamen bis August 2007 Preiserhöhungen bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken in Höhe von 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an. Der Preisindex für die allgemeine Lebenshaltung hat sich im gleichen Zeitraum um 1,9 Prozent erhöht. Die Preisentwicklung in Deutschland ist damit – wie das Statistische Bundesamt mitteilt – weiter auf stabilem Niveau. In einigen Produktbereichen kam es in den letzten Wochen zu Sonderentwicklungen: während Milchprodukte deutlich anzogen, gingen die Preise bei Gemüse im Vergleich zurück. Insgesamt hat sich der Preistrend bei Lebensmitteln jedoch nur der allgemeinen Entwicklung angepasst.

Aus einer Langzeitbetrachtung des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass der Verbraucherpreisindex von 1992 bis 2007 um 33 Prozent angestiegen ist, der Nahrungsmittelindex stieg im gleichen Zeitraum nur um 14 Prozent. Damit wird deutlich, dass sich die Preise für Lebensmittel seit vielen Jahren unterdurchschnittlich entwickelt haben. Die gegenwärtigen Preisanpassungen tragen bisher nur dazu bei, diesen Abstand zu verringern. Die Zeiten, in denen Lebensmittel regelmäßig die Portemonnaies der Verbraucher geschont haben und volkswirtschaftlich als Inflationsbremse wirkten, scheinen zunächst vorbei zu sein.

Exportchancen im Fokus – Auslandsgeschäft wächst

Fast ein Viertel der Umsätze der Ernährungsindustrie werden im Ausland erzielt. Die über Jahre schwache Inlandsnachfrage und der harte Wettbewerb hat viele der mittelständischen Unternehmen der Branche motiviert, das Auslandsgeschäft aufzubauen – mit Erfolg, wie die Zahlen belegen. Besonders gefragt sind Fleisch- und Fleischwaren (5,8 Milliarden Euro), Molkereiprodukte (5,3 Milliarden Euro), Süßwaren und Dauerbackwaren (3,8 Milliarden Euro) sowie alkoholische Getränke (2,3 Milliarden Euro).

Der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Lebensmittel ist weiter der Europäische Binnenmarkt, der rund 80 Prozent der Exporte aufnimmt. Die wichtigsten Abnehmer sind die Niederlande, Italien, Frankreich, Österreich und Belgien (zusammen 60 Prozent der Exporte). Die zwölf neuen osteuropäischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bezogen 2006 Produkte im Wert von rund drei Milliarden Euro, das entspricht einem Anteil von 10,7 Prozent an den Exporten. Polen ist hier der wichtigste Kunde. Im Drittlandsexport nehmen Russland (1,1 Milliarden Euro) sowie Nordamerika (1,1 Milliarden Euro) eine führende Rolle ein. Nach Asien wurden 2006 Lebensmittel im Wert von 1,3 Milliarden Euro exportiert. Die Exporte in diese dynamisch wachsende Region sind noch weiter ausbaufähig (Quelle).

Das Datenblatt «Die deutsche Ernährungsindustrie im Überblick – Halbjahr 2007» steht zum Herunterladen bereit unter
Info: https://www.backnetz.eu