Dienstag, 16. Juli 2024
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Bäckerei Junge und Hinz + Kunzt: So geht BrotRetten!

Hamburg. (jb / hk) Große Aufregung bei der Bäckerei Junge und dem Straßenprojekt Hinz+Kunzt: Vor wenigen Tagen nahm eine gemeinsame Herzensangelegenheit ihre Arbeit auf: das Unternehmen BrotRetter. Brot und Kuchen vom Vortag zu günstigen Preisen, verkauft von Hinz+Künztlern – in einem waschechten Verkaufsgeschäft in Hamburg-Lohbrügge.

Die Idee ist einfach und nicht nur mit Blick auf die oft zitierte Verschwendung von Lebensmitteln vernünftig: Das nicht verkaufte Brot und Gebäck aus den Filialen der Bäckerei Junge wird am nächsten Tag von Hinz+Künztlern zu günstigeren Preisen verkauft. Die BrotRetter, die jeden Tag die Backwaren sortieren, packen, transportieren, verkaufen und die Kunden bedienen, bekommen hierfür einen festen Teilzeit-Arbeitsvertrag.

Über Hinz+Kunzt

Hinz+Kunzt ist ein Hilfsprojekt, das der durchschnittliche Hamburger als Straßenmagazin wahrnimmt. Gegründet 1993, finanziert es sich seit mehr als 20 Jahren ohne öffentliche Zuschüsse. Ein Projekt zur Selbsthilfe, das sein Startkapital von der Nordelbischen Kirche (50.000 Deutschen Mark) längst an ein Schwesterprojet weitergegeben hat. Heute trägt sich das Straßenmagazin Hinz+Kunzt durch Verkaufserlöse und Anzeigen selbst. Die Projektarbeit und Sozialarbeit mit Obdachlosen im Vertrieb wird durch Spenden bezahlt. «Keine sicheren Einnahmen zu haben, ist nicht einfach», lesen wir auf der Projekthomepage. «Es macht uns aber stolz, nicht von der Stadt oder von Verbänden abhängig zu sein».

Umso dankbarer ist man für die Unterstützung durch Sponsoren und die vielen Spender. Wie groß die Aufregung gewesen sein muss, als Tobias Schulz von der Bäckerei Junge mit seiner BrotRetter-Idee an Hinz+Kunzt herantrat, ist wahrscheinlich kaum zu beschreiben.

Über die Bäckerei Junge

Gegründet 1897, ist es derzeit die vierte Generation, die das Familienunternehmen Junge die Bäckerei führt. Unter dem geschäftsführenden Inhaber Axel Junge und dem geschäftsführenden Verkaufsleiter Tobias Schulz hat sich das Unternehmen mit seinen bis zu 300 Quadratmeter großen, gut 170 Filialen im ganzen Norden zu einer führenden Marke entwickelt. Rund 3.300 Mitarbeitende stehen für viel Innovationsfreude sowie einen hohen Qualitätsanspruch bei Brot und Gebäck, Snacks und Kaffeespezialitäten.

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Die Idee hinter BrotRetter

«Unsere Gäste in unseren Geschäften setzen einfach voraus, dass sie bis in die Abendstunden aus einem attraktiven und reichhaltigen Sortiment wählen können. Das ergibt aber leider auch eine beträchtliche Menge an nicht verkauften Backwaren. Ich konnte es kaum ertragen, dass wir jeden Tag so viel Brot übrig haben – und das, obwohl wir schon die Tafeln beliefern und viele andere soziale Projekte unterstützen», sagt Tobias Schulz. «Mit BrotRetter gibt es jetzt endlich eine Lösung: Wir haben zufriedene Gäste, überzeugte Mitarbeiter und eine überaus sinnvolle Verwendung für nicht verkaufte Backwaren».

Investition und Umsetzung

Die Investitionssumme für die erste Brotretter-Filiale in Hamburg-Lohbrügge betrug rund 40.000 Euro und der Standort am oberen Ende der Alten Holstenstraße ist nicht schlecht. Sie ist in weiten Teilen die Fußgängerzone, die Lohbrügge mit Alt-Bergedorf verbindet. Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr befristet. Dann muss sich zeigen, ob sich das BrotRetter-Projekt rechnet. Filialleiterin Maria Raab: «Meine Hoffnung liegt darin, dass die Kunden unsere Idee so annehmen, wie wir es uns wünschen. Und ich würde mich sehr freuen, wenn ich von den fünf jungen Männern viele dauerhaft meine neuen Kollegen nennen kann».

Bewirtschaftet wird BrotRetter Lohbrügge – einerseits – von vier Beschäftigten der Bäckerei Junge. Die andere Hälfte des Teams stellt Hinz+Kunzt mit drei Verkäufern und zwei Fahrern. Das Sortiment sieht Brote, Brötchen, Snacks, Kuchen und Kaffee vor. Das kleine Café zählt 16 Sitzplätze innen und zwölf außen. Geöffnet ist ab 08:00 Uhr solange der Vorrat reicht.

«Wir möchten am liebsten jeden Tag Schlangen vor dem Laden haben», sagt Niels Nattermüller, Vertriebsleiter bei der Bäckerei Junge. «Das Brot vom Vortag wird zu günstigen Preisen verkauft. Das fängt bei 29 Cent an und das teuerste Brot wird 1,29 Euro kosten. Über 90 Prozent der Ware wird nicht mehr als 99 Cent kosten».

«Klassische Win-win-Situation»

Schon seit Jahrzehnten pflegt die Bäckerei Junge eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Tafeln, arbeitet eng mit der Aidshilfe und dem Kinderschutzbund zusammen. Das BrotRetter-Projekt ist ein weiterer Weg, sozialer Verantwortung gerecht zu werden. «Unsere Kunden und Mitarbeiter können jetzt sicher sein, dass trotz eines großen Angebots und einer entsprechenden Verfügbarkeit, Backwaren vom Vortag auch vor einem ethischen Hintergrund sinnvoll wiederverwendet werden», sagt Junge-Sprecher Gerd Hofrichter mit Blick auf das BrotRetter-Projekt. «Außerdem geben wir Menschen, die Halt suchen, eine Chance sich wieder auf dem Arbeitsmarkt einzufinden. Nicht zuletzt kommen eventuell anfallende Überschüsse der Arbeit von Hinz+Kunzt zugute. Also eine klassische Win-win-Situation …» (Fotos: jb).

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