Berlin. (zv) Seit einigen Wochen wird der deutschen Öffentlichkeit zunehmend bewusst, dass der Drang der EU-Kommission zur Regulierung des Lebens der europäischen Verbraucher offenbar kaum eine Grenze kennt. Nach Artikel 4 der europäischen Health-Claims-Verordnung sollen für die unterschiedlichen Lebensmittelgruppen Werte für den Gehalt an Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren festgelegt werden. Für Lebensmittel, die diese Nährwertprofile erfüllen, kann auch weiterhin grundsätzlich mit gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben geworben werden. Der von der EU-Kommission zunächst vorgesehene Wert für Natrium/Kochsalz bei Brot und Backwaren hätte dazu geführt, dass für Brot allenfalls noch mit dem Zusatz «hoher Salzgehalt» entsprechend geworben werden könnte.
Vor zwei Wochen hat die zuständige EU-Kommissarin Androulla Vassiliou nun einen Kompromissvorschlag gemacht, der diese diskriminierende Wirkung für traditionelle Backwaren nicht hätte. Allerdings soll dies nur für einen Zeitraum von sechs Jahren gelten. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) hat für diese Begrenzung kein Verständnis.
ZV-Präsident Peter Becker: «Die EU-Kommission hat zwar ihre unsinnigen Vorstellungen korrigiert, aber eine Befristung der Korrektur auf sechs Jahre angelegt. Dafür fehlt jede schlüssige Begründung. Die deutsche Brotkultur kennt kein Verfallsdatum! Oder sollen wir gezwungen werden, von der Industrie entwickelte chemische Zusatzstoffe als Ersatz für das Salz zu verwenden? Wir erwarten, dass die Bundesregierung unsere guten Argumente stützt und gegenüber der EU-Kommission vertritt. Der Angriff aus Brüssel trifft neben unserem guten deutschen Brot natürlich auch solche Produkte wie die regional stark verbreitete Laugenbrezel. Im Interesse des Verbraucherschutzes und der traditionellen deutschen Brotkultur bitten wir die Bundesregierung dringend, gegen das unsinnige Treiben der Brüsseler Kommission eindeutig und klar ablehnend Stellung zu beziehen».
Die deutschen Bäcker lehnen EU-einheitliche Werte für die Zusammensetzung von Lebensmitteln ab. Sie fühlen sich hierin von der Öffentlichkeit – ihren Kunden – wie auch von Abgeordneten des Europäischen Parlaments unterstützt.
ZV-Hauptgeschäftsführer Dr. Eberhard Groebel: «Die Kommission muss das Subsidiaritätsprinzip offensichtlich erst einmal verstehen lernen. Wir brauchen nicht ständig neue EU-Verordnungen, sondern eine europäische Rechtssetzung, die den unterschiedlichen Verhältnissen in der Europäischen Union gerecht wird. Gerade unsere traditionelle handwerkliche Lebensmittelvielfalt ist ein Musterbeispiel für die Tatsache, dass Europa von der Vielfalt lebt und seine Bürger kein Verständnis für irgendeinen Vereinheitlichungszwang haben. Gerade im Jahr der Europawahl gewinnt dieser Gesichtspunkt an Gewicht».
WEITERE THEMEN AUS DIESER RUBRIK FÜR SIE:
- BMEL: Der Trend zu Öko setzt sich auf schwächerem Niveau fort
- Trotz gegenteiligem Rat: Ampel verabschiedet Agrarpaket
- Berufsimker: EU-Gentechnik-Abstimmung vorerst vom Tisch
- Lebensmittelverband: begrüßt Ausbau von lebensmittelwarnung.de
- NRI: Bemühungen der Lebensmittelwirtschaft könnten besser sein
- BMEL: Glyphosat-Anwendungsbeschränkungen bleiben bestehen
- BMEL: Rechtsgutachten zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen
- DGE: veröffentlicht neue Position zu veganer Ernährung
- BZfE: Snack-Ideen für die Fußball-Europameisterschaft
- BMEL: Bundestag beschließt Änderung des Düngegesetzes
- Nachhaltig einkaufen zwischen Wunsch und Wirklichkeit
- Preise für Brot und Brötchen stiegen um gut ein Drittel
- Fleischersatz: 2023 stieg die Produktion um gut 16%
- NRI: Weiter zu viel Zucker, Fett und Salz in Umlauf
- Nutri-Score: Unternehmen und Verbände sollen mehr Gehör finden
- So gelingt der Übergang zur zeitgemäßen Proteinversorgung
- Fastenzeit 2024: Fleisch- und Alkoholkonsum gingen spürbar zurück
- Aminosäuren des Getreides ergänzen Hülsenfrüchte ideal
- Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch sinkt auf neuen Tiefstwert
- Novel Meat: IGF-Projekt arbeitet an Stützstrukturen