Bremerhaven. (eb) Wer wissen will, wo sich die Deutschen am meisten leisten können, schaut vermutlich zuerst auf die Höhe der Einkommen. Doch das allein verrate noch nichts darüber, wie viel sich Herr und Frau Deutschländer von ihrem Geld kaufen können – das räumt selbst das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in seiner Kaufkraftstudie 2024 ein. Leicht variiert war es vor Jahren die ehemalige Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die aus dem Verhältnis von Einkommen zu Preisen Kaufkraftstudien erstellte. Jetzt also das IW Köln mit einer ähnlich gelagerten Ungenauigkeit wie die GfK. Nichts dazugelernt?
Gegen Lebensqualität hat «Kaufkraft» kaum eine Chance
Sagen wir mal so: Hamburg ist das Tor zur Welt, doch Bremen hat den Schlüssel dazu (im Wappen …). Bremerhaven rangiert – wie immer – am unteren Ende der IW-Skala, bietet den Einwohnern aber mit seinen in der Regel kurzen Wegen viel Lebensqualität. Wind und Wetter an einem Ort, an dem andere Urlaub machen. Die Stadt verdrängt ihr gemischtes Publikum nicht in die Randbezirke oder ins Umland, sondern lebt einträchtig mit ihm Tür an Tür. Dank eines Quadratmeterpreises, für den es in Hamburg nicht mal einen Tiefgaragenstellplatz gibt, lässt es sich gut leben zwischen Geeste und Wesermündung.
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In der Seestadt gibt es einen existierenden Wohnungsmarkt (!). Zwar nicht mehr so großzügig wie vor der Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine, doch immer noch groß genug, um sich im Zweifelsfall aus dem Weg zu gehen. Schon immer hatte Bremerhaven ein Herz für Auswanderer und Einwanderer und leider berechnen tonangebende Studien diese Dynamik immer nur in Heller und Cent. Bremerhaven ist heute eine veritable Dienstleistungs- und Wissensstadt. Inmitten eines anerkannten Zentrums europäischer Spitzentechnologie und bundesdeutscher Lebensmittelindustrie gelegen, ist sie zudem ein Zentrum beeindruckender Integrationsleistungen und es ist spannend zu beobachten, wie sich die Stadt und mit ihr die Menschen stetig entwickeln. Den Raum zur Entwicklung geben moderate Lebenshaltungskosten, die es den Menschen erlauben durchzuatmen. Sich Wünsche zu erfüllen, die andernorts längst nicht mehr «drin» sind. Die nicht verbissen jeden Cent für die nächste Miete oder Zinszahlung umdrehen müssen, sondern auch mal loslassen können. Sich einfach aufs Rad setzen und auf kurzem Weg die Umgebung genießen. Oder mit dem Plattbodenschiff ins Watt fahren und warten bis die Ebbe kommt. Oder, oder.
«Kaufkraft» nur ein Theorem aus der Konsumforschung
Zusammengefasst ist «Kaufkraft» nur ein Theorem aus der Konsumforschung, das mit erstaunlich wenig Widerspruch hingenommen wird. Eine Wortschöpfung, die Herrn und Frau Deutschländer Monat für Monat daran erinnert, wie ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird – dass sie sich eigentlich schon längst verändern wollten. Ein Ärgernis, weil der Begriff an Grundängste appelliert und nur deshalb so gut funktioniert. Sein wir ehrlich: «Kaufkraft» macht mürrisch und verstellt den Blick. Besser wäre, sich den autonomen Raum zu schaffen, um in Kenntnis dieser Dynamik zu mehr Balance zu finden (Abbildungen: 11 Fotos Backnetz Medien GmbH – 1 Foto Hochschule Bremerhaven – 1 Tabelle IW Köln 2024).
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