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20191206-KASSENBON

«Kassenbon-Pflicht»: Halbwahrheiten helfen nicht weiter

Bremerhaven. (usp) Jetzt mal Butter bei die Fische: Ist schon mal jemandem aufgefallen, dass bei allem Brumborium, das sich derzeit um die «Kassenbon-Pflicht» abspielt, fast immer nur von den «Sorgen und Nöten des Bäckerhandwerks» die Rede ist? Stellt sich das Bäckerhandwerk jetzt an die vorderste Front des Umweltschutzes? Wo stehen im Kampf gegen Don Quichotes Windmühlen die Fleischer, die Obsthändler, die Gastronomie, vor allem die Systemgastronomie? Ist es am Ende gar möglich, dass das Bäckerhandwerk, dort wo es angestachelt wurde/wird, mindestens ein entscheidendes Detail vergessen hat?

Um das zu prüfen, werfen wir zunächst einen Blick in die Kassensicherungsverordnung, die «Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr» (KassenSichV). Entscheidende Hinweise zur vermuteten «Kassenbon-Pflicht» liefert der Paragraf 6 wie folgt:

Paragraf 6 Anforderungen an den Beleg

Ein Beleg muss mindestens enthalten:

  1. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
  2. das Datum der Belegausstellung und den Zeitpunkt des Vorgangbeginns im Sinne des Paragraf 2 Satz 2 Nummer 1 sowie den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung im Sinne des Paragraf 2 Satz 2 Nummer 6,
  3. die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
  4. die Transaktionsnummer im Sinne des Paragraf 2 Satz 2 Nummer 2,
  5. das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt und
  6. die Seriennummer des elektronischen Aufzeichnungssystems oder die Seriennummer des Sicherheitsmoduls. Die Angaben auf einem Beleg müssen für jedermann ohne maschinelle Unterstützung lesbar sein. Ein Beleg kann in Papierform oder mit Zustimmung des Belegempfängers elektronisch in einem standardisierten Datenformat ausgegeben werden.

Schlussfolgerung

Im Paragrafen 6 Absatz 6 der KassenSichV findet sich nach unserem Verständnis kein Hinweis darauf, dass Kassenbons auf Thermopapier ausgedruckt werden müssen. Die Behauptung, dass der Staat sich quasi an der Umwelt versündigt, sollten ab kommendem Jahr Millionen Kilometer Thermopapier die Umwelt verpesten, ist allein deshalb schon eine Fehlinformation. Ob diese Fehlinformation wissend oder unwissend in die Welt gesetzt wurde, wollen wir nicht beurteilen.

Kassenbons sind kein (!) Sondermüll

Das Jahr 2020 steht vor der Tür. Eine der wichtigen Neuerungen ist, dass Thermopapier, mit umweltschädlichem Bisphenol A beschichtet, ab dem Jahreswechsel 2019/2020 verboten ist. Die Diskussion um Bisphenol A ist mindestens zehn Jahre alt und wer will, kann sie lang und breit beim Umweltbundesamt nachlesen. Die Papierhersteller haben ihre Produkte rechtzeitig umgestellt, so dass heute kein Bisphenol A mehr enthalten sein kann. Wer als aufgebrachter Bäckermeister allerdings einen Vorrat für mehrere Jahre angelegt hat, der sollte diesen besser als Sondermüll entsorgen – und zwar schnell. Für alle anderen Berufskollegen gilt: Kassenbons können zur weiteren Verwendung problemlos ins Altpapier gegeben werden, denn: Die Behauptung, bei den Zetteln handele es sich um Sondermüll, ist falsch. Ob diese Falschinformation wissentlich oder unwissend in die Welt gesetzt wurde, wollen wir nicht beurteilen.

Alternative Möglichkeiten der Beleg-Ausgabe

Darüber hinaus sind Alternativen durchaus erhältlich. Genauso wie es Öko-Schreibpapier und Öko-Klopapier gibt, gibt es auch Öko-Kassenbon-Rollen. Die sind zwar geringfügig teurer, doch erhältlich. Es gibt sie und ihre Hersteller würden sich über eine höhere Nachfrage bestimmt freuen. Wer also ganz sicher gehen und weitere Umweltbelastungen vermeiden helfen will, der gibt künftig Öko-Kassenbons aus.

Selbstverständlich kann man über die kommende Belegausgabepflicht geteilter Meinung sein. Doch sie hat einen ernsten fiskalischen Hintergrund. Denjenigen Unternehmen, die Lug und Betrug nun ausbaden müssen, bleibt wenigstens das abendliche Ritual, die vielen Papierzettel der Wiederverwertung zuzuführen. Praktischer Tipp: In jedem Baumarkt gibt es heute – zum Beispiel – Sets zu kaufen, mit denen Altpapier zu Briketts für den heimischen Kamin (oder ähnlich …) gepresst werden kann. Der Phantasie sind darüber hinaus keine Grenzen gesetzt.

Bund erwartet Mehrumsätze von 70 Milliarden Euro

Um es kurz zu machen: Nach Einführung der Belegausgabepflicht in Österreich tauchten Mehrumsätze von rund zehn Milliarden Euro auf. Für Deutschland rechnet das Bundesministerium der Finanzen mit einer allgemeinen offiziellen Umsatzsteigerung von etwa 70 Milliarden Euro. Die Schäden durch Steuerbetrug sind immens. Jahr für Jahr verschwinden nennenswerte Beträge auf Nimmerwiedersehen. Über Jahrzehnte hat der bundesdeutsche Gesetzgeber nur zugeguckt. Jetzt traut er sich endlich mal zu prüfen und jeder ehrliche Steuerzahler sollte ihn gewähren lassen, denn:

  1. Wer weiß schon, welche Mittel und Wege die eigenen Angestellten gefunden haben, um ihren Arbeitgeber zu betrügen. Am Ende findet eine wundersame Umsatzvermehrung statt, weil besonders kreative Mitarbeitende für einen Moment nicht wissen, wie sie an ihre Zusatzeinnahmen kommen sollen, ohne aufzufliegen.
  2. Jeder ehrliche, Steuern zahlende Unternehmer kann nur profitieren. Wer weiß schon, welche «Steuersparmodelle» der Kollege von nebenan verfolgt? Jedem ehrlichen Steuerzahler muss daran gelegen sein, dass die Marktverzerrung, die sich aus solchen Sparmodellen ergibt, endlich ein Ende hat.

Wie bekannt erhalten die Finanzbehörden Spielräume, wie sie die Belegausgabepflicht anwenden wollen. Doch es ist kaum damit zu rechnen, dass sie diese Spielräume schon im ersten Jahr nutzen werden. Viel zu neugierig wird man zunächst genau hinsehen, ob und wie sich Geschäftszahlen verändern. Übrigens: Diese Spielräume haben Finanzbehörden in anderen europäischen Ländern nicht. Im Gegenteil: Hier und da werden Kunden und Klienten im Kampf gegen die Korruption sogar dazu angehalten, Zahlungsbelege für eine definierte Frist aufzubewahren, damit Transfers im Nachhinein geprüft werden können.

Dies führt uns zu einer weiteren Möglichkeit der Beleg-Ausgabe und Archivierung:

Die elektronische Ausgabe und Archivierung von Belegen

Der Kassenbeleg muss laut KassenSichV nicht in Papierform ausgegeben werden, sondern kann auch, mit Zustimmung des Belegempfängers, elektronisch in einem standardisierten Datenformat erfolgen. Demnach möglich ist, dass es bald eine oder mehrere All-in-One-Apps gibt, mit der Kunden jeden Bon prüfen und archivieren können – egal ob vom Bäcker oder von der Tankstelle. Erste Gehversuche machen gerade Start-ups wie «admin App» oder «Bill.less».

91 Prozent der jungen Leute nutzen ein Smartphone

Wie aussichtsreich und erfolgversprechend die elektronische Ausgabe und Archivierung von Kassenbelegen heute ist, hat uns der Digitalverband Bitkom längst vorgerechnet. Mit den folgenden drei Linktipps wollen wir denn auch unsere Betrachtung schließen und wünschen eine interessante Leltüre (Text: Ute Speer – Foto: pixabay.com):