Samstag, 10. August 2024
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Südkorea: will Wachstumshemmnisse für Filialisten lockern

Seoul / KR. (eb) Zwecks Förderung kleiner bis mittelgroßer Unternehmen begann der südkoreanische Gesetzgeber vor gut zehn Jahren, den unternehmerischen Ehrgeiz heimischer Großkonzerne zu regulieren. So ist eine Bäckereikette selten nur ein Einzelunternehmen, sondern in der Regel Tochtergesellschaft eines Lebensmittelkonzerns oder diversifizierten Konglomerats. Nicht selten geht die Filialzahl in die Tausende und die Marktmacht ist entsprechend groß. Dieses Ungleichgewicht hat historische Gründe.

Als der Koreakrieg (1950-1953) mit einer sowjetisch besetzten Zone (Nordkorea) und einer amerikanisch besetzten Zone (Südkorea) endete, musste vor allem dem damals komplett verarmten Süden auf die Füße geholfen werden. Dies erreichten die Akteure, indem sie eine Handvoll heimischer Firmen ins Boot holten, sie mit unternehmerischen Freiheiten ausstatteten und diese ihrerseits dann für eine Dynamik sorgten, die keine zehn Jahre später zu einem rapiden Wirtschaftsaufschwung führte. Bald machte der Begriff «Tigerstaat» die Runde. Heute gehört Südkorea zu den modernsten und reichsten Industrienationen. Den Menschen geht es gut. Ihr Auskommen finden sie in der Regel als Angestellte in einem der wenigen Konzerne respektive Konglomerate, die mithalfen, das Land wieder aufzubauen und zur Blüte zu führen. Um die industrielle Schlagseite behutsam zu korrigieren, die Mitte des letzten Jahrhunderts ihre Berechtigung hatte, heute aber die Ausbildung eines gesunden Mittelstands behindert, setzt der südkoreanische Gesetzgeber seit gut zehn Jahren auf eine gewisse Regulierung zugunsten von KMU.

Diese Politik wurde lange Zeit als erfolgreich wahrgenommen. Einerseits verschafft sie KMU mehr Luft zum Atmen. Andererseits inspiriert sie Konzerne und Konglomerate zur Expansion im Ausland. Weil sie zuhause nicht mehr wachsen dürfen wie sie wollen, weichen südkoreanische Bäckereiketten heute gerne in andere Regionen Ostasiens und Südostasiens aus. Ein beliebtes Ziel sind zudem die Vereinigten Staaten. Gerne würden die Ketten auch in Europa besser Fuß fassen. Erste Anläufe sind zu beobachten.

Leichte Korrekturen einer bewährten Regulierung

Unterdessen ist in Südkorea zu beobachten, dass selbst die beste Marktregulierung irgendwann für ein Ungleichgewicht in die andere Richtung sorgt. Jedenfalls hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass manche Bäckereikette auf dem Heimatmarkt nur noch Bestandspflege betreibt – wenn überhaupt noch. Um das Gleichgewicht zwischen Expansion und dem Schutz kleiner Unternehmen in eine neue Balance zu bringen, hat Südkorea jetzt Anpassungen der Vorschriften für die Bäckereiketten angekündigt, die einem Konzern respektive Konglomerat zuzurechnen sind. Das geht aus der südkoreanischen Tagespresse hervor, die sich gerade eingehend mit den bevorstehenden Korrekturen befasst.

Die neuen Vorschriften, die noch in diesem Monat in Kraft treten, sollen es Großbetrieben ermöglichen, mehr Filialen zu eröffnen, während die Entfernungsbeschränkungen für kleinere, unabhängige Bäckereien leicht gelockert werden. Die Korea Commission for Corporate Partnership (KCCP) hat am 06. August eine Vereinbarung zur Ausweitung des «Win-Win-Kooperations»-Pakts zwischen abhängigen Bäckereiketten und unabhängigen KMU ausgehandelt. Diese Abmachung, die auf einer überholten Vereinbarung von 2013 bis 2019 basiert, wird demnach um weitere fünf Jahre bis August 2029 verlängert.

Nach den neuen Bedingungen dürfen große Bäckereiketten die Zahl ihrer Filialen jährlich um bis zu fünf Prozent gegenüber dem Bestand erhöhen, während die bisherige Obergrenze bei zwei Prozent lag. Zudem wird der Mindestabstand zwischen einer neuen Bäckereikette und einer bestehenden kleinen Bäckerei in Ballungsgebieten von 500 auf 400 Meter verringert, während er in anderen Teilen des Landes bei 500 Metern bleibt. Die Vereinbarung wurde von der KCCP, der Korea Bakery Association und fünf Konzernen respektive Konglomeraten unterzeichnet, darunter die international aktive SPC Group mit «Paris Baguette» und «Paris Croissant» sowie CJ Foodville mit «Tous les Jours» und Fokus auf den amerikanischen Markt.

Die Zahl der Kleinbetriebe hat sich verdoppelt

Die Backbranche Südkoreas hat im letzten Jahrzehnt ein beträchtliches Wachstum erlebt, das mit den sich ändernden Gewohnheiten zusammenhängt. Die Gesamtzahl der Bäckereien hat sich von 13.577 im Jahr 2012 auf 28.070 im Jahr 2022 mehr als verdoppelt. Zugleich stieg die Zahl der kleinen unabhängigen Bäckereibetriebe von 10.198 auf 22.216. Dieses Wachstum spiegelt sich auch in der finanziellen Leistung der kleinen Bäckereien wider: Ihr Gesamtumsatz stieg von 1,49 Trillionen Won (KRW) im Jahr 2012 auf 2,21 Trillionen KRW im Jahr 2022 – knapp 1,47 Milliarden Euro. Angesicht von gut 50 Millionen Einwohnern und des stetig steigenden Wohlstands sind weitere Umsatzsteigerungen nicht ausgeschlossen.