Donnerstag, 18. Juli 2024
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Überblick: Neue Entwicklungen im Lebensmittelrecht

Detmold. (agf) Einen Überblick über neueste Entwicklungen im Lebensmittelrecht lieferte Helmut Martell vom Verband deutscher Großbäckereien während der 59. Tagung für Bäckerei-Technologie. In Detmold fasste der Rechtsanwalt Themen, aus der Tages- und Fachpresse leidlich bekannt, nach dem aktuellen Kenntnisstand ebenso kurzweilig wie kenntnisreich zusammen:

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Nährwertprofile

Im Rahmen der EG-Verordnung über gesundheits- und nährwertbezogene Angaben hat die EU-Kommission am 22. Oktober 2008 den Mitgliedsstaaten ein Arbeitspapier zur Festsetzung von Nährwertprofilen zugeleitet, das am 27. Oktober 2008 in der zuständigen Kommissionsarbeitsgruppe beraten worden ist. In diesem Papier werden Schwellenwerte für folgende Parameter empfohlen: Brennwert, Natriumgehalt, Gehalt an gesättigten Fettsäuren, Zuckergehalt. Für Getreide und Getreideerzeugnisse unter Einschluss von Brot wird ein Natriumgehalt von 400 Milligramm je 100 Gramm Erzeugnis vorgeschlagen. Die gesättigten Fette und der Zuckergehalt werden auf fünf beziehungsweise 15 Gramm festgesetzt. Für den Brennwertgehalt ist noch kein Wert vorgeschlagen worden.

Die Nährwertprofile sind bedeutsam für die künftige Verwendung gesundheits- und nährwertbezogener Angaben. Nur wenn die Festlegungen der Nährwertprofile erfüllt werden, dürfen solche Angaben verwendet werden. Allerdings dürfen nährwertbezogene Angaben (wie zum Beispiel «ballaststoffreich») auch dann verwendet werden, wenn nur ein Parameter in den Nährwertprofilen überschritten wird (etwa der Natriumgehalt). Dann muss allerdings deutlich darauf hingewiesen werden, dass es sich um ein Erzeugnis mit einem hohen Natriumgehalt handelt.

Der vorgeschlagene Natriumwert liegt deutlich unter dem der auf dem Markt befindlichen Brote. Nach den von der EFSA durchgeführten Simulationen bedeutet dies, dass nur rund 28 Prozent der auf dem Markt befindlichen Brote in Zukunft gesundheitsbezogene Claims verwenden dürfen, 66 Prozent dieser Brote können nährwertbezogene Angaben mit einem Hinweis auf einen hohen Salzgehalt verwenden, neun Prozent der auf dem Markt getesteten Brote dürfen danach keinen gesundheits- oder nährwertbezogenen Hinweis aufweisen. Für bestimmte Lebensmittelgruppen schlägt die Kommission die Freistellung von dem Erfordernis eines Nährwertprofils vor (hierbei handelt es sich unter anderem um Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Lebensmittel sowie Früchte und Gemüse). Nach dem Zeitplan der Verordnung sollen die Nährwertprofile spätestens bis zum 19. Januar 2009 vorliegen.

Lebensmittel-Agenzien (food improvement agents)

Das EG-Verordnungspaket zu Zusatzstoffen, Enzymen, Aromen und zu den Zulassungsprozeduren hat mittlerweile alle parlamentarischen Hürden überwunden, so dass mit der Veröffentlichung im Amtsblatt noch in diesem Jahr zu rechnen ist. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass auch Aromen und Enzyme die genannten Substanzklassen einem Zulassungsverfahren unterworfen werden sollen. Sie werden damit zulassungsrechtlich dem Status der Zusatzstoffe weitgehend angeglichen. Die Kennzeichnung dieser Substanzen richtet sich bei Endverbrauchererzeugnissen weiterhin nach der geltenden EG-Etikettierungsrichtlinie, die in Deutschland durch die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung umgesetzt worden ist.

Ein Detailproblem sind die Übergangsfristen in dem Verordnungsentwurf zu aromatisierenden Zutaten. Danach treten die Anhänge voraussichtlich erst Ende 2011 in Kraft. Für das Backgewerbe ist dies besonders für die Cumaringehalte bedeutsam. Diese werden durch die künftige Verordnung für Feinbackwaren auf 15 Milligramm und für bestimmte traditionelle oder saisonale Backwaren, in deren Aufmachung auf Zimt hingewiesen wird, auf 50 Milligramm festgelegt. Diese neuen Werte können voraussichtlich erst ab 2011 berücksichtigt werden. Eine endgültige Klärung ist derzeit aber noch nicht erreicht.

Lebensmittelkulturen

Die Kommission beabsichtigt eine rechtliche Grundlage für Lebensmittelkulturen zu schaffen. Als regelungsbedürftig sieht sie besonders Kulturen an, die Lebensmittel mikrobiologisch stabilisieren können sowie probiotische Kulturen. Auf diese soll nach dem gegenwärtigen Diskussionsstand ein Zulassungsverfahren angewendet werden. Von Seiten der Verwender traditioneller Lebensmittelkulturen (Sauerteige, Hefen) ist vorgeschlagen worden, diese aus dem Anwendungsbereich einer künftigen Regelung herauszunehmen, weil kein Bedarf für eine aufwendige Sicherheitsbewertung besteht.

Lebensmittelinformation

Die EU plant eine grundlegende Reform des EG-Lebensmittelkennzeichnungsrechts. Sie hat hierzu den Entwurf einer Verordnung zur Lebensmittelinformation vorgelegt. Mit dieser Verordnung sollen alle kennzeichnungsrelevanten Vorschriften in einer Verordnung zusammengefasst werden, die durch 13 Anhänge ergänzt wird. Unter anderem ist eine obligatorische und gegenüber dem bisherigen Rechtszustand modifizierte Nährwertkennzeichnung vorgesehen. Ferner werden die Voraussetzungen für eine «Ampel»-Empfehlung auf nationaler Ebene geschaffen. Besonders umstritten ist die Klausel, wonach alle Kennzeichnungselemente eine Mindestschriftgröße von drei Millimetern aufweisen müssen. Vermutlich wird gerade diese Vorschrift noch im weiteren Gesetzgebungsprozess verändert werden. Wann die Verordnung in Kraft treten wird, ist noch ungewiss. Vermutlich werden sich die Übergangsfristen bis in das Jahr 2012 erstrecken.

Zusammenfassung der 59. Tagung für Bäckerei-Technologie

In Zusammenarbeit mit dem Max-Rubner-Institut (MRI) veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung e.V. (AGF) in der 45. Kalenderwoche die 59. Tagung für Bäckerei-Technologie. Rund 300 Teilnehmer/innen aus sechs Ländern nahmen die Gelegenheit wahr, Vorträge aus verschiedenen Segmenten der Branche zu hören und zu diskutieren. Veranstaltungsort war einmal mehr das Roemer-Haus auf dem Detmolder Schützenberg. Der Ausschuss für Bäckerei-Technologie unter Leitung von Georg Heberer (Mühlheim) und Matthias Bantel (Bochum) hatte in Sachen «Brot und Kleingebäck» die Themenbereiche Forschung, Entwicklung, Lebensmittelrecht, Rohstoffe, Technik, Technologie, Brotrezepturen sowie Herstellung und Verarbeitung von Teiglingen in das Programm aufgenommen. Im Schwerpunkt «Snacks und Feine Backwaren» ging es um Rohstoffe, Rezepturen und Technologie (Volltext).